Pressespiegel

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Trans Aktuell Extra Transporter Juli 1999

Länge läuft

Erhard Harbordt hat sich mit einem mehr als 17 Meter langen Gespann eine pfiffige Lösung für die Paketverteilung einfallen lassen.

Morgens um fünf ist die Welt noch in Ordnung. Jedenfalls im DPD-Depot Magdeburg. In der Halle wird am Fließband konzentriert kommissioniert. Draußen ist an den Toren angedockt, was in der Branche üblicherweise als Paketverteiler dient: Sprinter und Vario, Daily und Ducato.
Am Tor 59 lugt jedoch eine Deichsel aus dem Glied der Transporterschnauzen hervor. Sie gehört zu einem Drehschemel. Der wiederum ist der Anfang eines ellenlange Fahrgestells, das hinten von einer Doppelachse getragen wird. Darauf festgeschnallt sind zwei gut vier Meter lange Alukoffer mit schön gerundeten Aufbaukanten: Wechselkoffer, wie unschwer an den eingeklappten Stützen zu erkennen ist.
Luftgefederte Achsen müssten also installiert sein. Wie sonst sollten die Koffer umgesetzt werden? Ein Blick unters Chassis zeigt allerdings, dass ein Hilfsrahmen mit Scherenhub für die passende Absetzhöhe sorgt. Als Achsen kommen drei simple, gummigefederte Anhängerachsen, wie sie jeden Pkw-Anhänger zieren, zum Einsatz. Dank der kleinen Räder der Dimension 155/70 R 12 bleibt die Beladehöhe im Rahmen der Ladetore des Depots.
Erhard Harbordt hat dieses Anhägerunikat erdacht. Umgesetzt und gebaut wurde das Wechselsystem von der Firma Fahrzeugbau Beck, vormals Fahrzeugbau Butzen (siehe Kasten). „Ich wollte ein Wechselsystem für meine Paketeinsätze rund um Wernigerode. Und ich wollte weniger Leerkilometer, weniger Anfahrtskilometer zum Depot“ beschreibt Harbordt die Idee mit dem mehr als 17 Meter langen Gespann.
Das DPD-Depot liegt am Stadtrand von Magdeburg, Wernigerode dagegen am Rande des Harz, rund 80 Kilometer weiter südlich. Dorthin führt keine Autobahn, nur eine Landstraße. Die ist zwar besser als üblicherweise in dieser Gegend. Stellenweise erinnert sie jedoch mit so manch gepflasterter Ortsdurchfahrt an alte Zeiten. „Die Fahrzeuge schonen“, das ist für Harbordt wichtig, so dass deren Nutzungszeit von durchschnittlich drei Jahren sich auf – gewünschte – zehn Jahre erhöht.
Aus diesem Grund stellt Harbordt zwei Sprinter-Fahrgestelle vom Typ 308 in Wernigerode bereit, die die beiden Wechselkoffer übernehmen. „Damit sparen wir pro Arbeitstag mit beiden Fahrzeugen rund 320 Kilometer An- und Abfahrt ins Depot“, rechnet Harbordt vor. Das macht im Jahr bei 250 Arbeitstagen überschlagsweise 80.000 Kilometer oder rund 16.000 Mark an Dieselkosten.
„Mir ging’s aber auch um den Verschleiß. Die Depotfahrten werden meist flott zurückgelegt, das geht erfahrungsgemäß aufs Material.“ Auf der Verteilerrunde mit bis zu 100 Stopps verzichtet Harbordt auf stark motorische Transporter. Der 80-PS-Saugdiesel sei für diesen Einsatz um Wernigerode genau richtig: „Wer viel Leistung hat, setzt sie auch ein – und das bedeutet immer höheren Verschleiß an Reifen, Kupplung und Zelle. Vom höheren Verbrauch gar nicht zu reden.“
Harbordt zählt auf Vernunft: „Aus eigener Erfahrung weis ich, dass ich mit einem schwächer motorisierten Auto wesentlich gelassener und ruhiger fahre.“ Das will er mit den 80-PS-Sprinter-Fahrgestellen auch seinen Fahrern näher bringen.
Als Zugmaschine wählte Harbordt den Mercedes Vario 615 in seiner längstmöglichen Transporter-Variante. Mit der Kofferpritsche im Schlepptau ergibt das ein sattliches Gespann von 17,1 Meter Länge. Kräftig muss daher der Vario sein: So wählte er nicht den Fünfzylinder-2,9-Liter-Direkteinspritzer mit 122 PS, sondern den großen Vierzylinder Lkw-Motor der 900er Reihe mit 150 PS und vier Liter Hubraum. Von dem modernen, elektronisch geregelten Pumpe-Düde-Motor verspricht sich Harbordt wenig Probleme und lange Haltbarkeit, trotz der recht hohen Belastung im Gespannverkehr.
Die Kombination kommt auf ein Gesamtgewicht von sechs Tonnen (Vario) plus 4,8 Tonnen (Hänger) - also zusammen 10,8 Tonnen. Dass Fahrer Marco Höbelt für diesen Zug den Klasse-2-Führerschein braucht, liegt im übrigen nicht am Gesamtgewicht: Der Anhänger weist mehr als eine Achse auf, so Dass Höbelt mit mehr als drei Achsen unterwegs ist.
Den 10,8 Tonnen Gesamtgewicht stehen sechs Tonnen Nutzlast gegenüber: Der Vario schafft solo 2.500 Kilo, der Anhänger darf bei einem Leergewicht von 1,3 Tonnen 3,5 Tonnen tragen. Das ist genau die Last, die die beiden Koffer mit jeweils einer Tonne Nutzlast auf die Waage bringen: Das Leergewicht eines Koffers beträgt 710 Kilo, dazu kommen 1.000 Kilo an Nutzlast. Bei zwei Koffern Kommen also 3,4 Tonnen zusammen.
Die Einteilung der Gewichte orientierte sich auch an der Tragfähigkeit der Sprinter Fahrgestelle: Mit dem Scherenhub-Hilfsrahmen bringen die Sprinter ein Leergewicht von 1.800 Kilogramm auf die Waage. Plus 1.700 Kilo für Koffer und Nutzlast ergibt das das zulässige Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen.
Die beiden Fahrer der Sprinter Achim Zabel (56) und Mark Nitsche (28), stehen jeden Morgen ab fünf Uhr am Band in Magdeburg und kommissionieren ihre Ladung. Den Weg vom Depot nach Wernigerode legen sie als Beifahrer im Vario zurück. Das Umpritschen findet gegen neun Uhr auf einem ebenen Platz eines aufgelassenen Supermarktes statt und ist in wenigen Minuten geschehen.
Marco Höbelt kann allerdings die beiden Koffer nicht so hinstellen, wie sie auf dem Hänger plaziert sind. Denn im Depot wird durchgeladen, so das die Koffer zuerst Rolltor an Rolltor stehen – verkehrt für die Sprinter. Deshalb setzt Höbelt zuerst den hinteren Koffer ab, dann den vorderen. Um mit den Sprinter unter die Koffer zu treffen, ist eine Führungsschiene vorhanden. Der bordeigene Kompressor erledigt die Hubarbeit für die Entlastung der Stützfüße. Der maximale Hub beträgt 40 Zentimeter. Die Hubarbeit geht übrigens langsam vonstatten, da der Kompressor aus Gewichtsgründen leicht sein muss.
Sind die Stützen eingeklappt und arretiert, muss abgelassen werden. Auch das geht langsam vonstatten – schon aus Gründen der Sicherheit. Auffallend ist übrigens die Führung der Koffer: In allen Ecken sitzen – ähnlich einer Anhängerkupplung – geschmiedete Kugelköpfe, die von einer Führungsschiene aufgenommen werden. Am Schluss lassen sich die Kugelköpfe in der Schiene arretieren , so dass eine Vierpunktbefestigung gegeben ist.
Wenngleich Harbordt Gewicht sparen wollte trug er den Straßenverhältnissen und den engen Gassen Rechnung. Daher orderte er die Sprinter-Fahrgestelle in verstärkter Ausführung mit steiferen Stabilisatoren: der hohen Lastschwerpunkte wegen, die unbeherrschbare Wankbewegungen provozieren können.
Im Paketdienst werden Koffer so auf den Sprintern geparkt, dass Rolltor und Stirnwand an Wand liegen, die Flügeltüren dagegen am Heck. Die Koffer sind karg ausgestattet. Es fehlen beispielsweise eine Leuchtbahn im Dach und eine Lampe, anfangs auch eine Verkleidung der Innenseiten. Um unschönen Beulen vorzubeugen, ließ Harbordt die Wände mit sechs Millimeter starkem Sperrholz beplanken.
Was das alles kostet? Für den Hänger (alle Preise ohne Mehrwertsteuer) musste Harbordt rund 24.000 Mark investieren, die Koffer schlugen inklusive Stützen und Rolltore mit je 11.500 Mark zu Buche. Die Hilfsrahmen mit Scherenhub und Kompressor für die Sprinter kamen zusammen auf rund 6.000 Mark. „Dennoch“ so Harbordt, „rechnet sich dieses Konzept nur langfristig. Deshalb habe ich auf Qualität der verarbeiteten Materialien und die Haltbarkeit der Fahrzeuge besonders geachtet.“    Robert Domina
 

Auflieger für Transporter

Aus Butzen wurde Beck: ein typischer Minisattel mit Zweiachs-Curtainsider.

Einen Namen machten sich die Butzener Fahrzeugbauer um Geschäftsführer Tilman Beck und die Konstrukteure Ernst Kschamer und Bernd Lukas mit dem Bau von Minisatteln auf Daily- und Sprinter-Basis: Die Zugmaschinen wurden mit zweiachsigen Sattelaufliegern, die auch luftgefedert erhältlich waren, kombiniert. Sie zeichneten sich durch geringes Gewicht und gute Nachlaufeigenschaften aus. Die Wechselpritschen, die sich anstelle des Aufliegers auf die Sattelplatte schnallen ließen, waren gleichfalls eine Spezialität der Butzener. Im Herbst des vergangenen Jahres kam das vorläufige Aus für die engagierten Fahrzeugbauer. Denn kaufmännisches Missgeschick führte zum Konkurs des Unternehmens, das grade auf dem Weg war, mit marktfähigen Produkten profitabel zu arbeiten. Fast ein Jahr dauerte es, bis sich die Mannschaft wieder in anderen Räumen und Werkstätten neu formiert hatte: unter dem Namen Fahrzeugbau Beck (Fahrzeugbau Beck, Thälmannstraße 40 b, 15868 Lieberose, Tel. 033671/31240, Fax. 033671/31252).