Pressespiegel |
Mehr als 60 Minisattel verkauften die Fahrzeugwerke Butzen im vorigen
Jahr. Fast die Hälfte davon entstanden auf Basis des Viertonner-Sprinter
412 D mit 122-PS-Motor. Die Butzener kombinieren ihn mit zweiachsigen,
komfortabel ausgestatteten Aufliegern - unser Textexemplar war besonders
aufwendig ausgestattet und daher kein Leichtgewicht.
Viel Übersicht
auf luftgefedertem Schwingsitz. Das i-Tüpfelchen für optimalen
Sitzkomfort wäre ein in der Neigung verstellbares Lenkrad. Der Einstieg
hinter der Vorderachse fällt leicht, die Sichtverhältnisse auch
nach oben sind ausgezeichnet.
Die Fahrzeugbauer
aus Butzen ergänzten das nüchterne Armaturenbrett mit einem musealen
Druckmesser, der so gar nicht zu den übrigen Instrumenten passen will.
Einen Tempomat für Langstrecken-Einsätze bietet Mercedes leider
nicht an.
Der
längs eingebaute 2,9-Liter-Direkteinspritzer läuft dank aufwendiger
Schalldämpfung recht leise. Die Wartungspunkte für Wasser und
Öl sind gut zugänglich.
Bislang waren der Iveco-Daily und der Renault B 120 die Favoriten der
auf Mini-Sattel spezialisierten Fahrzeugbauer. Jetzt kommt der Sprinter
412 D - in diesem Falle von der Fahrzeugbau Butzen GmbH.
Als Basis dient das Doppelkabiner-Fahrgestell des Sprinter 412 D, das
auf 3,5 Gesamtgewicht abgelastet wird. Würde es da nicht der 312 D
auch tun? Nein, denn erstens gibt es den 312 D nicht mit doppelbereifter
Hinterachse, und zweitens ist man auf die Achslastreserven des 412 D angewiesen.
Seine Hinterachse darf mit 3200 kg belastet werden, die des 312 D nur mit
2240 kg.
Daß man diese Gewichtsklasse braucht, bestätigen auch unsere
ersten Ladeversuche bei unserem Ballast-Lieferanten Baywa Eichstätt.
Mit einer ersten Wiegung ermittelten wir das Leergewicht des Zuges und
staunten nicht schlecht: 4520 Kilo - ohne Fahrer. Als Differenz zu 7500
kg Gesamtgewicht bleiben da grade mal 2980 Kilo, minus einen Fahrer (75
kg), macht nur 2900 kg echte Nutzlast.
Die Postierten wir in Form von drei Paletten Salz erst mal in Reihe
bis zur Stirnwand. Rein optisch gesehen, ließ sich hier die Überladung
der Hinterachse schon mal vorausahnen. Und mit 3480 Kilo hatten wir dann
auch 280 Kilo zu viel drauf. Die Vorderachse war mit 1480 kg noch weit
von ihrer Belastungsgrenze (1750 kg) entfernt - ein Verdienst des geringen
Sattelvormaßes, das die Vorderachse nur wenig belastet.
Der Einwand des Praktikers, daß solche Punktlasten höchst
selten im Mini-Sattel-Geschäft auftreten, ist völlig berechtigt.
Hier wird weitgehend voluminöse Ladung oder leichtes und empfindliches
Gut transportiert, das sich problemlos über die Ladefläche verteilen
läßt. Mit einer Leerpalette als Abstandshalter zur Stirnwand
konnten wir schließlich eine Gewichtsverteilung realisieren. Wenn
wir davon ausgehen, daß ein vom Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG)
ausgenommener Mini-Sattel bis zu 3500 kg Nutzlast konzessionsfrei transportieren
darf, sind diese 2900 Kilo Nutzlast eigentlich relativ wenig. Die Zugmaschine
ist mit 2300 kg schon kein ausgesprochenes Leichtgewicht. Der Auflieger
aber wiegt wirklich schwer: 2220 kg bringt er leer auf die Waage, und das
sind schon mal 2-300 Kilo mehr, als ein ebenfalls zweiachsiger Standard-Plane-Spriegel-Auflieger
aus der selben Werkstatt in Butzen wiegt.
Die seitliche Schiebeplane mit zentraler Spannstange, das Edscha-Schiebedach
für die Beladung von oben, das Ersatzrad und schließlich die
aufwendige, luftgefederte Doppelachse sorgen offensichtlich für das
erhöhte Leergewicht.
Die Achslasten sind wichtig
Jedenfalls wenn man so lädt wie auf dem oberen Bild: Mit der 2800
kg schweren Nutzlast an der Stirnwand war die Hinterachse der Zugmaschine
um 280 Kilo überladen. Erst eine Palette als Abstandshalter brachte
die gewünschte Gewichtsverteilung. Die Verzurrarbeit fiel Dank der
sieben stabilen Zurrpunkte je Seite leicht.
Sauber verkleidetes Fahrgestell
Solo wiegt die Sattelzugmaschine 2300 kg (ohne Fahrer, Tank voll). Unterm
Riffelblech sitzt der 12V-Kompressor, der die Druckluft für den Auflieger
bereitstellt. Die Seitenverkleidungen sind nicht aus Kunststoff sondern
aus Aluminium gefertigt - so lassen sich kleinere Rempler einfach ausbeulen.
Aus dem Riffelblech ragen die Aufnahmen für einen Pritschen-Wechselaufbau:
Der Sprinter ist ja auch als „Lkw mit Wechselaufbau“ (max. 990 Kilo Nutzlast)
zugelassen, „wechselweise als Sattelzugmaschine“ - das ist der Trick der
Versicherungskosten spart. Fast jeder dritte Kunde ordert den Minisattel
mit einer Wechselpritsche - Vielseitigkeit ist gefragt.
Dafür ist das Aufplanen denkbar einfach: Mit einer Kurbel dreht
man die zentrale Spannstange auf und lockert so den Vorhang. Nach dem Aushängen
der vorderen oder hinteren Arretierung läßt sich die Plane ohne
großen Kraftaufwand und vor allem sehr schnell beiseite schieben.
Beim Laden an der Rampe übers Heck ist die Niveauregulierung der
Aufliegerachsen hilfreich. Über ein Handventil am Chassis läßt
sich die Ladekante um plus/minus 12 Zentimeter aus der Mittellage nach
oben oder unten hieven. Der kleine Kompressor im Zugfahrzeug rattert dabei
fleißig, um die dafür notwendige Luftmenge bereitzustellen.
Unsere ersten Fahreindrücke bestätigen: Der Sprinter ist
mit seinem 122-PS-Direkteinspritzer ausreichend kräftig, um den Miniliner
gut in Schwung zu halten. Im Hauptfahrbereich um 2500 Touren verfügt
dieser Motor über rund 20 PS mehr Leistung als der 116-PS-Sofim-Direkteinspritzer,
wie er im Daily und im Renault B 120 bislang eingesetzt wird. Dadurch ergibt
sich deutlich weniger Schaltarbeit auf hügeligen Strecken - Steigungen
wie hinauf zum Köschinger Forst packt der Sprinter sogar im höchsten
Gang, ohne unter 70 km/h zu fallen.
Das
bis herunter auf 2000 Touren ansteigende Drehmement (36% ansteigend) beschert
dem Sprinter ausreichend Leistungsreserven im mittleren Drehzahlbereich.
Diese Qualität und die nicht zu lange Übersetzung hält die
Schaltarbeit in Grenzen.
Auf der flachen
Landstraße mit zahlreichen Ortsdurchfahrten ist freilich das Herunterschalten
in den Vierten am Ortsende unerläßlich, um wieder zügig
die erlaubten 80 km/h Marschgeschwindigkeit zu erreichen. Unsere geforderten
82 km/h Schnitt auf der Autobahn schafft der Sprinter zwar nicht mühelos,
aber mit viel Druck aufs Gaspedal. Hier profitiert man ebenso von dem hohen
Leistungsniveau im mittleren Drehzahlbereich des Mercedes-Direkteinspritzers.
Die Steigung hinauf zum Holledauer Berg verlangt freilich ebenso den vierten
Gang wie der lange Kindinger Berg, den wir leistungsbetont und flott mit
einem 70er Schnitt packen.
In Sachen Fahrkomfort hat der Sprinter in dieser Kombination dem Daily
und dem Renault einiges voraus: Er ist ausgesprochen leise - nur 73 dB(A)
gelangen bei 80 km/h ans recht Fahrerohr. Wegen der luftgefederten Aufliegerachsen
bleibt der Fahrer von harten stößen in Kreuz verschont, wenngleich
der Zug auf bestimmten Autobahnabschnitten mit langen Querwellen leicht
ins Nicken gerät. Hier kann man mit etwas Feinschliff sicher noch
einiges an der Dämpfung und der Federung optimieren. Der luftgefederte
Isri-Fahrersitz fällt hier mit seiner angenehmen Polsterung und einstellbarer
Dämpfung positiv auf.
Daß wir die Schaltung des Sprinters zu ungenau und hakelig finden,
haben wir schon bei den verschiedenen Gelegenheiten angemerkt. Wie man
hört ist Mercedes bereits daran, Makel abzustellen.
Eine Besonderheit des Miniliners ist sicher die Kombination aus hydraulischer
und pneumatischer Bremse. Nicht nur in Butzen, sondern auch bei Mercedes
hält man die strikte Trennung des hydraulischen Systems der Zugmaschine
von den Druckluftbremsen des Aufliegers aus Sicherheitsgründen für
zwingend. Die Butzener bedienen sich hier zuverlässiger Technik, die
ursprünglich aus dem Traktoren-Bereich stammt. Gemeint ist das berühmte
Kippventil, das einfach auf das vorhandene Bremspedal des Zugfahrzeuges
aufgebaut wird. Beim Tritt auf die Bremse steuert dieses Ventil den Bremsdruck
auf die Aufliegerachsen - mit durchaus gewollter Vorteilung.
Das System ist seit langem bei den Butzenern in Gebrauch und funktioniert
zuverlässig. Aber auch wenn der Sprinter vorne mit standhaften Scheibenbremsen
ausgerüstet ist - bei starken Gefällstrecken wie unserer Spindeltal-Abfahrt
wünscht man sich doch eine Zusatzbremse, die bei Dauerbremsung die
Betriebsbremsen entlastet. Aber da wird`s schwierig: Ein Retarder ist problematisch
wegen des Gewichts, über eine Auspuffklappenbremse verfügen die
Transportermotoren dieser Größe nicht.
Über
dieses aufgesetzte Kippventil von Wabco wird die Druckluftbremse des Aufliegers
gesteuert. Das funktioniert gut und leicht dosierbar. Ein weiterer Vorteil
dieser Lösung ist, daß der hydraulische Bremskreislauf des Zugfahrzeugs
unberührt bleibt.
Beim Rangieren
ums Eck verschränken sich die beiden Aufliegerachsen gewaltig und
es bleibt einiges an Gummi auf dem Asphalt. Der erhöhte Fahrwiderstand
des Zweiachsigen Aggregats ist auch bei Kurvenfahrt deutlich spürbar.
Schnelles Be- und Entladen mit den Curtainsider
Die Schiebeplane des Aufliegers läßt sich nicht nur leicht
bewegen. Auch das Öffnen und Schließen geht Ruck-Zuck. Das Verspannen
erfolgt nicht mit Einzelverschlüßen, sondern zentral über
eine kurbelbetätigte Spannwelle (unten). Kräftige Haken greifen
selbständig die Planösen und spannen die Plane mit einem Kurbeldreh
nach unten.
Die Federungsarbeit
der an Lenkern geführten Alko-Achsen übernehmen Torsions-Gummilager
und Luftfederbälge. Das Höhenniveau läßt sich um +/-
12 cm regulieren.
Umständlich: Für die Nachtruhe muß man die Vorhänge mit Druckknöpfen fixieren.
Mit nur 1,68 Meter Länge hat der Sprinter das kürzeste Bett nach dem Iveco Daily (1,75 m). Die Breite der Bettstatt geht mit 75 cm in Ordnung. Die komplette Innenverkleidung senkt nicht nur den Geräuschpegel, sondern isoliert auch gegen Hitze und Kälte.
Unter der hochklappbaren
Matratze findet sich reichlich Stauraum für Klamotten und Proviant.
Auch die Standheizung ist hier untergebracht.
Wendigkeit ist Trumpf
Die Aufliegerkante schwenkt wegen des geringen Stirnkreisradius nur
wenig aus - günstig wenn´s eng wird. Der Dachspoiler (ca. 1500
DM Aufpreis) ist sauber mit der Dachfläche vernietet und zusätzlich
verklebt. Allerdings erschien er uns etwas zu niedrig: Der Auflieger überragt
die Spoiler-Oberkante um 20 cm.
Fazit: Was die Motorleistung und die Abstimmung des Antriebesstranges
betrifft, ist der Sprinter momentan das attraktivste Zugfahrzeug für
den Mini-Sattel. Aber die Konkurrenz schläft nicht: Iveco hat mit
den neuen hubverlängerten Transportermotoren für den Daily nachgezogen.
Und auch Renault wird diesen Motor wieder einsetzen: Der nun ebenfalls
2,9 Liter große Vierzylinder-Sofim-Direkteinspritzer liefert über
das gesamte Drehzahlband praktisch die gleiche Leistungs- Charakteristik
wie der Mercedes-Motor. Und was den Lebensraum für den Fahrer angeht,
hat der Renault sicherlich die Nase vorn.
Ob der Mini-Sattel wirklich eine doppelte Hinterachse braucht, ist
die Frage: Luftgefedert bringt dieses Aggregat viel Bedienungs- und auch
Fahrkomfort. Allerdings ist auch der Fahrwiderstand beträchtlich.
Nicht nur daß beim Rangieren eine Menge Gummi auf der Straße
bleibt. Auch auf kurvigen Strecken erweist sich die starre Doppelachse
als Leistungsfresser: Den Pfahldorfer Berg hinauf mußten wir im steilsten
Stück den zweiten Gang bemühen, weil das fehlende Quentchen Leistung
von der um die Kurve radierenden Aufliegerachse aufgezehrt wurde.
Einachsige Auflieger für den Mini-Sattel laufen mit deutlich weniger
Rollwiderstand. Und abgerundete Aufliegerkanten plus ausreichend hohe Dachspoiler
würden ebenfalls ein paar wertvolle kW einsparen, die man im stets
etwas untermotorisierten Mini-Sattel immer gebrauchen kann.
Text & Fotos: Robert Domina